Likes, Herzen, Daumen hoch – Wie können Leser Journalismus bewerten?

Journalismus bewerten wie eine Saftpresse im Onlineshop?

Likes, Herzen, Daumen hoch – Wie können Leser Journalismus bewerten?

Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber wenn ich etwas im Internet bestelle, lege ich großen Wert auf die Meinung von Menschen, die das Produkt bereits gekauft haben. Auf Amazon beispielsweise lese ich mir selten die Produktbeschreibung des Anbieters durch, sondern scrolle gleich zu den Rezensionen. Diese bieten mir eine gute Orientierung und unterstützen mich bei meiner Kaufentscheidung. Und auch der Anbieter hat etwas davon: Er lernt, was seinen Kunden am Produkt gefällt und was nicht.

Wie aber sieht dieser Bewertungsprozess im Journalismus aus? Kann man einen Artikel genauso bewerten wie zum Beispiel eine Saftpresse im Onlineshop?

Wie Leser online Journalismus bewerten können

Besonders im Onlinejournalismus bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, um mit den Lesern interagieren zu können. Als Journalist kann man sich schnelles Feedback zu den eigenen Artikeln einholen. Social-Media-Buttons und Bewertungysymbole in Form von Daumen oder Herzen sind in der Regel bereits in das Layout der Artikelansicht eingebunden. So kann der Leser direkt mitteilen, ob ihm der journalistische Text gefällt und/oder ob er ihn "teilenswert" findet. Dabei gibt es mehrere Formen, in denen ein Leser sein (Des-)Interesse mitteilen kann. Ich habe die wichtigsten einmal zusammengetragen und wie sie jeweils als Feedback ausgewertet bzw. genutzt werden können.

1. Rating anhand von Likes, Herzen und Upvotes

Das wohl bekannteste Content-Bewertungssystem ist der "Daumen hoch" oder auch das sogenannte "Like", welches vom Social-Media-Riesen Facebook geprägt wurde. Diese relativ "softe" Bewertung wird von Usern schnell vergeben, besonders, da der Aufwand gering ist und dadurch die Schwelle zum Klick niedrig. Mittlerweile können weitere Emotionen als Reaktionen auf Beiträge genutzt werden wie lachende oder weinende Smileys. Herzen und Upvotes funktionieren ähnlich. Auch bei diesen Optionen handelt es sich um eine "softe" Bewertung. Sicher kennst Du das selbst, wie großzügig man manchmal Likes verteilt – auch schon bei geringerem Interesse oder aus einer Laune heraus. Zwar lässt dieses Bewertungssystem bereits Rückschlüsse auf das Interesse der Leser zu, allerdings darf ein einfaches Like nicht überbewertet werden. Wertvoll sind besonders wiederkehrende Likes von treuen Lesern.

2. Content Distribution als Feedback

Eine höhere Schwelle stellt ein Share dar. Das bedeutet, dass ein Leser den Artikel gerne mit seinen Kontakten teilen möchte. Er hat sich näher mit den Inhalten beschäftigt und kann genauer einschätzen, ob sie auch für seine Kontakte interessant sein könnten. Content Distribution bedeutet einen Mehraufwand für den Leser, besonders wenn er den geteilten Inhalt zusätzlich kommentiert.

3. Kommentar-Interaktionen durch Leser

Leserinteraktionen mit Artikeln und anderen Inhalten geben Aufschluss über ihre Interessen und Vorlieben. Kommentare signalisieren ein höheres Involvement (Wie betroffen fühlt sich der Leser von den Inhalten?) als beispielsweise ein einfaches Like. Der Leser hat einen höheren Aufwand betrieben, außerdem ist ein Kommentar in der Regel aussagekräftiger und differenzierter. Als Journalist kann man dieses Feedback, sofern es denn konstruktiv ist, nutzen und seine journalistische Arbeit besser nach den Anforderungen des Lesers ausrichten. Leserkommentare helfen dabei zu verstehen, wie die Community über Themen nachdenkt. Möglicherweise dienen sie auch als Quelle für neue Themen, an die der Journalist so nicht gedacht hätte.

4. Direktes Leserfeedback

Prinzipiell sind alle Interaktionen mit einem Artikel – von Likes über Shares bis hin zu Kommentaren – direktes Feedback vom Leser, da sie eine unmittelbare Reaktion auf einen Online-Beitrag sind. Natürlich kann ein Leserfeedback auch persönlicher und ausführlicher sein. Beispielsweise in Form einer Direct Message oder einer Verlinkung in einem User-Beitrag (oder auf dessen eigenem Blog?).

Eine andere Möglichkeit, wie ein Leser seine Meinung sowie Interessen einbringen kann, ist es, dass er am journalistischen Prozess direkt teilnimmt. So kann er bereits während des Schaffensprozesses von journalistischen Inhalten Feedback geben und das Produkt in eine alternative Richtung navigieren.

Wie Leser Inhalte bei Merkurist bewerten können

Wer sich schon einmal etwas genauer mit Merkurist beschäftigt hat, kennt das community-orientierte Prinzip, bei dem Leser in den journalistischen Prozess mitaufgenommen werden. Mit Klick auf den sogenannten o-ha!-Button signalisiert die Community, ob sie sich für die Inhalte eines Artikels interessiert.

Bei der Bewertung der Inhalte spielen mehrere Faktoren eine Rolle:

  • Welche Reichweite erzielt ein vorgeschlagenes Thema/ein fertiger Artikel?
  • Wie viel wurde von dem veröffentlichten Artikel gelesen?
  • Wie viele Leserinteraktionen kamen dabei zustande (in Form von zugeliefertem Material wie Fotos oder Videos und Kommentare)?
  • Wie viele Klicks auf den o-ha!-Button (Likes) erhält der Artikel?

Werden diese Faktoren ausgewertet, kann man einen Wert ermitteln, der Auskunft darüber gibt, wie Leser Inhalte bewerten.

Was man von Ratings für seine journalistische Arbeit lernen kann

Leserfeedback sollte nicht nur nice-to-have sein, sondern eine Notwendigkeit, aus der wichtige Rückschlüsse für die zukünftige Arbeit des Journalisten gezogen werden. Das Rating kann auch schon in "softer" Form Aufschluss darüber geben, ob die Inhalte in die richtige Richtung gehen oder komplett am Lesergeschmack vorbeischießen. Likes geben möglicherweise eher Tendenzen an, Kommentare sind vielleicht differenzierter (und manchmal qualitativer), dafür aber weniger repräsentativ, da sie in der Regel weniger vertreten sind als Likes.

Aus dem Feedback sollten sich für den Journalisten direkte To-dos ergeben. Diese kann er in Form eines ausdifferenzierteren Reportings herausfinden und sich Tracking-Tools zunutze machen.

Um noch einmal auf das Saftpressen-Beispiel zurückzukommen: Gewiss ist ein journalistisches Produkt in Form eines Artikels kein Gebrauchsgegenstand, den man so bewerten würde wie einen Küchenhelfer auf Amazon. Dennoch sind auch Rezensionen zu einzelnen Artikeln für den Journalisten und seine Qualitätssicherung wichtig. Außerdem können sich daran auch andere Leser orientieren, zu einer Community zusammenfinden, über Artikel diskutieren und sich austauschen. Dadurch erhalten Inhalte eine ganz neue Wertigkeit.

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