Leser verstehen – die wichtigste Aufgabe der Redaktion

Anders als im Printgeschäft eröffnen sich im Onlinejournalismus Verlagen und deren Redaktionen dank cleverer Technologien niedagewesene Tools, um ihre Leser verstehen zu lernen.

Leser verstehen – die wichtigste Aufgabe der Redaktion

Digitale Inhalte können effektiver ausgelesen werden. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf die Präferenzen und Interessen der Leser ziehen. Aber was genau nützt es der Redaktion, ihre Leser besser zu verstehen? Genügt es nicht, dass die News aktuell, relevant und hochwertig aufgearbeitet sind? Vielleicht ging das einmal. Vielleicht konnte man sich früher im Printgeschäft auf einer hohen Auflage ausruhen. Wenn die Leser kaufen, ist alles gut. Dann scheinen sie ja zufrieden zu sein – oder etwa nicht?

In der Zeit der Online-Zeitungen mit hohem Konkurrenzdruck von kostenfreien Nachrichtenangeboten geht diese Rechnung nicht mehr auf. Monopol-Konzerne, die News anbieten, beanspruchen viele User für sich. Man muss sich schon etwas mehr einfallen lassen, damit der Leser auf der eigenen Nachrichtenseite bleibt und sich am Angebot bedient. Aber der Leser ist möglicherweise nicht mehr bereit, für Inhalte Geld zu zahlen. Und schon gar nicht für Inhalte, die sich nicht mit seinen Interessen decken. Also: Was tun?

Leser verstehen – was bringt's?

Die aktuellsten News und die qualitativ hochwertigste Aufbereitung nützen nichts, wenn die Inhalte nicht gelesen werden. Das ist für Redakteure und Journalisten in vielerlei Hinsicht frustrierend: Man hat umfassend für den Artikel recherchiert. Danach hat man viel Zeit für die Aufbereitung der Informationen aufgewendet. Dabei versuchte man stets, qualitative Anforderungen einzuhalten. Und da ist er – der fertige Artikel, in den man so viel Energie und (hoffentlich auch) Herzblut reingesteckt hat. Eigentlich müsste der Artikel durch die Decke gehen. Von wegen! Wenn das aufbereitete Thema dem Leser nicht gefällt, war die Mühe vergebens. Kaum jemand liest den Artikel.

Aber warum wird bestimmter Content gelesen und anderer nicht? Nun kann man natürlich Mutmaßungen anstellen oder A-B-Testing betreiben, um herauszufinden, was bei den Lesern gut ankommt. Noch einfacher, schneller und günstiger: Frage den Leser doch einfach! Lerne den Leser zu verstehen, indem Du im engen Austausch mit ihm stehst.

Relevante Daten, um Leser zu verstehen

Oftmals musst Du den Leser nicht direkt ansprechen und fragen, was ihn interessiert. Informationen über sein Leseverhalten, seine Interessen sowie Desinteressen lassen sich auch aus Datensätzen lesen. Mit cleveren Tracking-Tools kannst Du genau nachverfolgen, wie Leser mit Deiner Nachrichtenseite umgehen. Welche Artikel lesen sie? Wie lange verweilen sie auf einer Seite? An welcher Stelle steigen die Leser aus? Welche Werbung konnte ausgespielt werden und wurde diese wahrgenommen bzw. auch geklickt?

Die wichtigsten Daten, um das Interesse von Lesern nachzuvollziehen:

  1. Seitenaufrufe: Schaue Dir genau an, welche Seiten bzw. News am häufigsten gelesen werden. Erkennst Du Muster? Vielleicht sind es bestimmte Themengebiete, die bei den Lesern besonders gut ankommen. Möglicherweise gibt es andere Merkmale, welche die häufiger gelesenen Artikel gemeinsam haben, z. B. Stil, Textlänge oder einen bestimmten Autor.
  2. Verweildauer: Anhand der Verweildauer lässt sich erkennen, wie gut ein einzelner Artikel ankommt. Nimmt sich der Leser die Zeit und liest den Artikel zu Ende, scheinst Du seinen Geschmack getroffen zu haben. Verlässt der Leser die Seite bereits nach zehn Sekunden, hat er vermutlich nicht das gefunden, wonach er gesucht hat oder der Artikel hat ihm schlichtweg nicht gefallen.
  3. Absprungrate: Konntest Du den Leser mit einem Text dazu bewegen, auf einen Link zu einem weiterführenden Artikel zu klicken? Oder hat der Leser nach dem ersten Artikel die Lust verloren und Deine Seite verlassen, ohne weiterzuklicken?
  4. Conversions: Conversions müssen zunächst definiert werden. So kann eine Conversion beispielsweise bedeuten, dass sich ein Leser für ein Abo oder einen Newsletter angemeldet hat, einen Werbebanner geklickt hat oder aber zu einem weiterführenden Artikel gewechselt ist. Richte die Conversion nach Deinem bestimmten Zielvorhaben aus und danach, was Du gerne über Deine Leser erfahren möchtest.
  5. eigene Angaben: Auf Anmeldeformularen können Leser (beispielsweise im Austausch gegen ein Content-Angebot oder einen anderen Service) persönliche Daten hinterlegen. Anhand des Alters, Geschlechts oder Wohnortes lassen sich ebenfalls Rückschlüsse auf die Interessen der Leser ziehen. So interessiert sich die 67-jährige Leserin aus Buxtehude wahrscheinlich weniger für das neue Hipstercafé in Köln als der ansässige Student.

Mit regelmäßigen Reportings über die Perfomance Deiner Seite kannst Du wertvolle Informationen über die Leser und ihre Präferenzen erhalten. Daraus sollten sich dann To-dos ergeben, wie Du Dein Nachrichtenangebot konsequent verbessern kannst.

Dem Leser einen Gefallen tun – und sich selbst

Natürlich kannst Du Deine Leser als Konsumenten betrachten, die ganz am Ende der journalistischen Nahrungskette stehen und lesen müssen, was Du ihnen vorsetzt. Solltest Du aber nicht. Als Redakteur und Journalist solltest Du Deinen Lesern den Respekt und die Wertschätzung entgegenbringen, dass seine Meinung sehr wohl etwas wert ist. Und auch, dass Du diese Meinung berücksichtigst und Inhalte auf die Präferenzen des Lesers abstimmst. Befindest Du Dich in einem gesunden Austausch mit der Leser-Community, kannst Du nichts verlieren, nur dazulernen. Lasse Dich von den Ideen und Themenvorschlägen inspirieren, auf die Du ohne die Leser vielleicht gar nicht gekommen wärst.

So findest Du einen Weg, Deine Inhalte noch zielgerichteter und personalisierter zu gestalten, um so effektiv mehr Leser zufrieden zu stimmen. Dabei immer vor Augen halten: Ohne Leser gibt es kein Produkt.

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