Community-Journalismus & was ihn von Bürgerjournalismus unterscheidet

Community-Journalismus oder partizipativer Journalismus bedeutet, dass jeder zu jedem Thema seinen Senf dazugeben darf. Und das soll dann Journalismus sein?

Community-Journalismus & was ihn von Bürgerjournalismus unterscheidet

Ein berechtigter Einwand für viele Journalisten, die das journalistische Handwerk gelernt haben und hohe Ansprüche an die Qualität ihrer Arbeit stellen. Plötzlich kommt da so ein Wutbürger oder gar Troll daher und darf sich einfach so eine Plattform schaffen. Meinungsfreiheit in der Presse – und Qualitätsverlust inklusive? Mit dieser kritischen Annahme sieht sich Journalismus, der gemeinsam mit den Lesern gestaltet wird, leider öfter konfrontiert. Aber wie funktioniert dieses partizipative Journalismus-Konzept wirklich? Und welche Chancen (oder auch Risiken) bietet es gegenüber einem konventionellen Journalismusmodell?

Was bedeutet Community-Journalismus?

Jeden Tag aufs Neue fragt man sich als Journalist, ob das, was man da schreibt, tatsächlich jemanden interessiert. Wer liest den qualitativ einwandfreien Artikel, den man in so mühseliger Arbeit mit Liebe zum Detail geschrieben hat? Der einfachste Weg, um eine Antwort auf all diese Fragen zu bekommen, ist es, den Leser einfach zu fragen. Das geht am besten, wenn man ihn von Anfang an in den journalistischen Prozess miteinbindet.

Besonders digitale Journalismusmodelle wie Online-Zeitungen ermöglichen dem Journalisten eine nie dagewesene Nähe zum Leser. Er kann direktes Feedback zu seinen Artikeln erhalten, beispielsweise über die Kommentarfunktionen. Diese Nähe kann man nutzen, um noch mehr über den Leser und seine Interessen zu erfahren. Leser können Themenvorschläge aufwerfen, darunter gewiss auch welche, auf die der Journalist ohne deren Hilfe nicht gekommen wäre. Man nennt dies auch das Zweibahnstraßen-Prinzip, bei dem der Kommunikationskanal nicht nur vom Journalisten zum Leser verläuft, sondern auch andersherum. Niemand weiß besser, was den Leser interessiert, als der Leser selbst.

Oft haben die Leser auch wertvolle Informationen oder Bild- bzw. Videomaterial, das den Journalisten bei seiner Recherche zu einem Thema unterstützt. Darunter wird sich gewiss nicht nur Gold befinden. Der Journalist fungiert an dieser Stelle als Gatekeeper und muss darauf bedacht sein, die Qualität und Professionalität der Berichterstattung zu gewährleisten. Er hat darauf zu achten, dass Leser keine diskriminierenden, anstößigen oder diskriminierenden Beiträge verteilen.

Was Community-Journalismus von Bürgerjournalismus unterscheidet

Bürgerjournalismus, auch Graswurzeljournalismus bzw. Grassroot Journalism genannt, bindet den Leser aktiv in die Recherche und Aufbereitung journalistischer Inhalte ein. Er bietet dem Bürger eine Plattform, um sein Wissen mit anderen Lesern zu teilen. Allerdings hat der Bürgerjournalismus oft einen bitteren Beigeschmack. Journalisten kritisieren, dass er den klassischen Journalismusbegriff degradieren würde und sich nicht mit ihren Qualitätsstandards vereinbaren lassen würde.

Bürgerjournalismus ist dem User Generated Content zuzuordnen, das heißt die Inhalte werden vom Leser bzw. Nutzer (in Teilen oder ganz) erstellt. Beiträge auf Wikipedia-Seiten zählen zu UGC, aber auch Kommentare in Diskussionsforen o. ä. Die Leser nehmen am gesellschaftlichen Diskurs Teil und schaffen sozusagen eine Gegenbewegung zum klassischen Journalismus. Wer am Bürgerjournalismus partizipieren kann, wird nicht genauer definiert. Prinzipiell kann sich jeder mit Zugang zu den Angeboten am Diskurs beteiligen. Ob eine Zensur oder Überprüfung der Inhalte stattfinden, hängt von der jeweiligen Plattform und ihrer individuellen Richtlinien ab.

Community-Journalismus funktioniert anders als Bürgerjournalismus

Community-basierter Journalismus funktioniert im Unterschied zum Bürgerjournalismus anders: Die Community setzt sich aus Personen zusammen, die gleiche Interessen oder demographische Merkmale teilen oder in derselben Region leben. Man kann sie zumindest grob definieren. Auch die Community ist am öffentlichen Diskurs beteiligt und bringt sich in den journalistischen Wertschöpfungsprozess mit ein. Klare Richtlinien und Werte legen fest, welche Beiträge erlaubt sind und welche nicht. Professionelle Journalisten moderieren den Prozess. Gewaltverherrlichende, antisemitische, anrüchige oder anderweitig anstößige Beiträge werden gefiltert. Zudem reguliert sich die Community selbst – durch soziale Kontrolle sozusagen.

Gemeinsam mit der Community: Chancen für die Zukunft des Journalismus

Stelle Dir einen Journalismus vor, bei dem Leser und Journalist eng zusammenarbeiten. Journalisten erhalten direktes Feedback zu ihren Artikeln und Leser steuern Themen und Informationen bei, an die der Journalist möglicherweise nicht herangekommen wäre. Community-Journalismus bedeutet kein Qualitätsverlust, im Gegenteil – er kann bereichern, indem immer wieder neue Ideen in der Community aufkommen, die ohne Hindernisse kommuniziert werden können. Journalismus wird dadurch transparent und nachvollziehbar. Fake-News-Vorwürfen wird so vorgebeugt. Die Leser können sich viel besser mit dem Medium identifizieren und fühlen sich diesem zugehörig. Community-basierter Journalismus schafft eine neue Kommunikationsebene und etabliert eine Denke, die den Journalismus nachhaltig verändern könnte.

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