Moderner Journalismus: Einstieg für Studenten erleichtern

Geschichten aus dem Journalismus-Studium und warum beim Lehrplan noch Luft nach oben ist.

Moderner Journalismus: Einstieg für Studenten erleichtern

Ich kann mich noch gut an die Eröffnungsveranstaltung meines ersten Publizistik-Semesters an der Universität erinnern. Der Redner auf der Bühne sagte: "Wer denkt, er lernt hier das journalistische Handwerk, kann gleich seine Tasche packen und gehen." Ich hatte zwar schon meine Hand an der Tasche, blieb dann aber doch. Bis zum Ende des Studiums. An vielen Stellen hätte ich mir mein Fach anders vorgestellt und gewünscht. Daher appelliere ich nun an alle Bildungseinrichtungen, die einen journalistischen Schwerpunkt haben: Erleichtert euren Studenten den Einstieg in den modernen Journalismus.

Theoretisch keine Praxis

Man hätte von dem Studiengang Publizistikwissenschaft erwarten können, dass es – nun ja – theoretischer wird. Aber so theoretisch? Genau ein Kurs in insgesamt drei Jahren vermittelte, wie man eine Meldung schreibt. Das wars. Der Rest: Theorie. Wissenschaft. Alles interessant, keine Frage. Aber nichts, was man "in der realen Welt" hätte anwenden können.

"Frau Wolf, verfassen Sie eine Reportage zu dem Thema?"

"Nein, aber ich kenne dazu eine dufte Theorie. Wenn Sie wollen, erstelle ich zuvor eine empirische Befragung zu dem Thema."

Das klang für mich nach weniger rosigen Aussichten für einen zukünftigen Job.

Ich hatte Glück neben dem Studium immer einen berufsrelevanten Nebenjob ausüben zu können, beispielsweise bei der Zeitung, im Marketing oder im Bereich Content Management. Dort eignete ich mir die meisten Fähigkeiten an, die ich für meinen heutigen Job benötige.

Willkommen auf dem Boden der Tatsachen (hier liegt kein Glitzer)

Ich hätte mir – trotz wissenschaftlichem Schwerpunkt – mehr Praxis gewünscht. Mehr anwendungsnahe Inhalte. Mehr Vorbereitung auf den digitalen Journalismus, der nun nicht erst seit gestern auf dem Vormarsch ist.

Es wurde zwar vermittelt, dass es der Verlagsbranche nicht mehr ganz so gut wie früher geht. Aber es wurden in den Kursen kaum bis keine Überlegungen angestellt, wie man sich dieser Entwicklung gegenüber verhalten könnte. Sollten doch nicht Universitäten die Brutstätten innovativer und "weltverbessernder" Ideen sein?

Vielleicht hätte man bei einer Ausbildung oder an einer Fachhochschule praxisbezogener gearbeitet. Aber wie sieht es hier mit dem Thema Journalismus 4.0 aus? Ist sich jeder im Klaren, wie sich die Branche entwickelt und zukünftig noch entwickeln könnte? Werden Studenten und Azubis für das Denken über den Tellerrand hinaus geschult? Werden sie für Medien-Technologie sensibilisiert? Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Ich hoffe es aber ganz stark. Mir fallen so einige Themen ein, die ich für eine journalistische Ausbildung (egal, in welcher Form) wünschenswert fände. Denn am Boden der Tatsachen liegt tatsächlich kein Glitzer: stattdessen unterbezahlte Journalisten, sinkende Auflagenzahlen, nicht profitable Journalismusmodelle.

Das sollte man angehenden Journalisten mit auf den Weg geben

Interaktiv lernen und Erfolgserlebnisse schaffen

Auf nahezu jeder Stellenausschreibung (nicht nur im journalistischen Bereich) liest man von der sogenannten "Hands-on-Mentalität". Tja, was hat man da vorzuweisen, wenn man die letzten Jahre "Hands-off" gelernt hat und keine Möglichkeit, seine praktischen Fähigkeiten zu schulen. Ich bin der Meinung, dass auch wissenschaftliche Studiengänge im Bereich Journalismus einen praktischen und anwendungsnahen Anteil haben sollten. Und das nicht nur über unbezahlte Pflichtpraktika.

Man möchte als junger Mensch ausprobieren, herausfinden, was man kann und was man noch nicht kann. Man möchte sich in seine zukünftige Berufsgruppe eindenken können und verstehen, wo ihre Schwerpunkte und täglichen Aufgaben liegen. Die freiwille Teilnahme an der Erstellung einer Print(!)-Studentenzeitung finde ich nicht genug. Kurse mit Content-Management-Systemen oder Redaktionssoftware, die tatsächlich von Verlagen und Agenturen genutzt werden, wären beispielsweise sinnvoll. Die Studenten sollen an eigenen Projekten arbeiten, beispielsweise, indem sie eine Online-Redaktion "nachbauen", in der jeder seine Aufgabe hat und man gemeinsam an einem Produkt arbeitet. So kommt man zu Erfolgserlebnissen, die wiederum motivieren und das Lernen erleichtern.

Die Branche auf dem Radar

Die ganz ungeschminkte Wahrheit darüber, wie es der Branche geht, muss vermittelt werden. Jeder Absolvent sollte sich darüber klar sein, was ihn in der realen Welt des Journalismus erwartet. Mit welchen Schwierigkeiten er zu rechnen hat, aber auch, wie er sich ihnen stellt. Dabei sollten eine krititsche Haltung gegenüber der Branche und der "Blick über den Tellerrand" hinaus gefördert werden.

Thema sollte auch die zunehmende Abhängigkeit von Verlagen und anderen Mediendienstleistern gegenüber großen Playern wie Google, Facebook oder Amazon sein. Wie kann man sich weniger abhängig machen? Gibt es Alternativen? Wie können junge Journalisten gemeinsam etwas schaffen, das auch unabhängig von der Zusammenarbeit mit Unternehmensgiganten?

Berufszweige aufzeigen

Freier Journalist, Redakteur, Moderator, Mediaberater – und sonst? Vor, während und nach der Ausbildung wird die Studierenden und Azubis ständig eine Frage begleiten: "Was fange ich mit meiner Ausbildung an? Wo soll es hingehen?" Viele versteifen sich dabei auf klassische Berufe der Medienbranche und arbeiten von vornherein auf einen bestimmten Job hin. Das ist ja auch gut so und zielstrebig. Aber kennen sie wirklich alle Alternativen, die ihnen prinzipiell offenstehen?

Vielleicht muss es gar nicht das große Verlagshaus sein, der bekannte Fernsehsender und das Redaktionsbüro. Möglicherweise sind junge Leute auch gut in der Technologie-Branche aufgehoben. Oder im Journalismus-Startup. Vielleicht machen sie sich auch als Influencer und Blogger selbstständig. Oder spezialiseren sich auf ein Nischenthema. Möglicherweise unterstützen sie Bildungsprogramme, neuartige Journalismusmodelle, Medien-Apps, künstliche Intelligenz im Journalismus usw. Eine klare Aussicht auf die Möglichkeiten, die sich einem im Medienbereich auftun, sollten zur Ausbildung bzw. zum Studium unbedingt dazugehören.

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