Ein mehrteiliges Plädoyer für mehr Leadership in der Medienbranche

In meinen nächsten Blogposts möchte ich darüber schreiben, dass Journalismus und Medienbranche mehr Leadership brauchen.

Ein mehrteiliges Plädoyer für mehr Leadership in der Medienbranche

Die aktuelle Situation von Journalismus Branche machen ein Mehr an Leadership notwendig – und zwar für alle Beteiligten, vom freien, freien festen und festangestellten Journalisten bis hin zum Redaktionsleiter, Digitalchef, Verlagsgeschäftsführer und Branchen-Außenseiter.

Hier mag schon die erste Verwirrung aufgekommen sein. Also kurz einen Schritt zurück.

Leadership – bitte was?

Was hat Leadership mit der Zukunft der Medienbranche oder spezifischer: mit der Zukunft von gutem, unabhängigem Journalismus zu tun? Meiner Meinung nach eine Menge – vorausgesetzt natürlich, man hat das passende Verständnis von Leadership. Denn da kann das Missverständnis natürlich schon beginnen: Mehr Leadership für die Medienbranche? Heißt das jetzt „Mehr starke Männer“ oder „mehr starke Hand“ oder „mehr ‚einmal auf den Tisch hauen‘“? Um Gottes Willen.

Was heißt „Leadership“?

Leider sind heutzutage nahezu so viele Definitionen und Verständnisse von Leadership dort draußen in der Welt, wie es Leadership-Gurus gibt. Deshalb möchte ich meinen Standpunkt, dass wir für die Gestaltung einer guten Zukunft für Journalismus und Medienbranche mehr Leadership brauchen und dafür dieser Tage ganz immense Chancen haben, ganz klar in einem ganz spezifischen Verständnis von Leadership verankern: Nämlich in einem Verständnis von Leadership, das auch unter dem Begriff „Adaptive Leadership“ bekannt ist. Ich möchte dieses Verständnis bzw. dieses Konzept von Leadership in diesem und in weiteren Blogposts anhand der Leadership-Herausforderungen und -Chancen in der Medienbranche erläutern. Meine Hoffnung ist, dass die Anwendung des Adaptive Leadership-Konzepts auf die akuten Herausforderungen der Medienbranche den ein oder anderen interessanten Impuls und Denkanstoß bieten kann.

Adaptive Leadership – eine Perspektive auf Herausforderungen und Handlungsoptionen. Eine besonders hilfreiche in meinen Augen.

„Adaptive Leadership“ ist eine Sichtweise auf Leadership, die ein Professor namens Ronald Heifetz an der Harvard Kennedy School of Government im Rahmen eines gleichnamigen Kurses in den vergangenen drei Jahrzehnten entwickelt hat. Sie speist sich aus verschiedenen Theorien höchst unterschiedlicher Disziplinen und enthält so Aspekte der Evolutionstheorie, „System Dynamics“, Tiefenpsychologie und vielem mehr. Sie kennzeichnet sich u. a. durch

  • das Verständnis vonLeadership als Aktivität, nicht als Zustand bzw. Status.
  • einen stark analytischen Ansatz: Um Leadership ausüben zu können, ist stets eine Diagnose des Kontexts erforderlich, in dem Leadership stattfinden soll.
  • die Unterscheidung zwischen so genannten „technischen“ und so genannten „adaptiven“ Herausforderungen.
  • Normativität:Leadership als Aktivität versucht stets, ein System in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ist dies dann objektiv gesehen die einzig wahre und richtige Richtung? Auf diese Frage kann es niemals eine eindeutige, objektive Antwort geben. Daher ist Leadership stets wertegetrieben und normativ. Derjenige, der im Sinne von „Leadership“ handelt, tut dies vor dem Hintergrund seines normativen Weltbilds und dessen, was „richtig“ sei.

Warum ich über Adaptive Leadership in der Medienbranche schreiben möchte

In der Tat mag es für den einen oder anderen etwas weit hergeholt scheinen. Wieso muss die Conrad von Merkurist denn nun ausgerechnet über Leadership in der Branche schreiben?

Nun, ich gebe zu, neben Merkurist ist Adaptive Leadership tatsächlich eine meiner hartnäckigsten Leidenschaften. Als schwer rational gesteuerter Mensch halte ich den Ansatz für unvergleichlich smart und hilfreich, um komplexe Situationen im großen und kleinen besser zu verstehen. So verhält es sich meines Erachtens auch mit der Situation, in der heute Verlage, Redaktionen, Journalisten und all solche Leute stecken, die sich um die Zukunft einer freien, unabhängigen Presse scheren.

Ich selbst habe mit dem Ansatz fast zwei Jahre während meines Studiums an der Harvard Kennedy School gearbeitet, zunächst als Studentin, dann als Teaching Assistant. Seitdem gebe ich Workshops und unterrichte den Ansatz auch an Hochschulen, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Als ich Anfang Oktober nun wieder an der alljährlichen Adaptive Leadership Conference in Washington D.C. teilnahm, ermutigten mich mehrere andere Konferenzteilnehmer in den zahllosen Kaffeepausen, meine aktuelle Erfahrung bei Merkurist aus der Adaptive Leadership-Brille aufzuarbeiten. So, here we go.

Ein paar interessante, vielleicht sogar einsichtsreiche Denkanstöße

Ich hoffe, dass auch andere aus der Branche den ein oder anderen Aspekt der Anwendung von „Adaptive Leadership“ als einsichtsreich und vielleicht sogar hilfreich empfinden. In meinen folgenden Blogposts möchte ich dabei immer einerseits auf die Theorie des Konzepts eingehen, andererseits die reine Theorie anhand des konkreten Beispiels der heutigen Medienbranche versteh- und nachvollziehbar machen. Es wird schnell deutlich werden, dass mir das in manchen Posts besser, in manchen Posts weniger gut gelingt. Insofern werden einige zunächst etwas theorielastiger sein als andere; ich hoffe, dennoch interessant.

Meine weiteren Posts gehen dabei auf folgendes ein:

  1. In „Adaptive Herausforderungen in Medienbranche und Journalismus - das 'Misfit' des Branchendiskurses“ gehe ich auf die Unterscheidung zweier Arten von Problemstellungen ein – adaptiven und technischen Herausforderungen – und erläutere, warum die in meinen Augen wichtigeren Fragestellungen der Medienbranche heute in meinen Augen zur „adaptiven“ Klasse gehören.
  2. Im Post „Zum Überleben von Journalismus und Medienbranche: Wie Überleben allgemein funktioniert“ beschreibe ich, woher der Begriff des „adaptiven“ in „adaptive Herausforderung“ und „adaptive Leadership“ kommt, inwiefern Adaption mit Lernen und Anpassung und letzteres wiederum mit Überleben zu tun hat. Auch für Journalismus und Medienbranche.
  3. In meinem Text namens "Warum und wie wir lernen und Veränderung vermeiden" gehe ich darauf ein, warum Veränderung und Adaption ein Prozess ist, dem sich Menschen und aus Menschen bestehende soziale Systeme (wie z. B. die Medienbranche) ungern stellen.
  4. Im fünften Blogpost der Reihe mit dem knackigen Titel "Die Logik von Lernen, Veränderung und Leadership. In und jenseits der Medienbranche." veranschauliche ich das Konzept der so genannten produktiven Unruhe und erkläre, warum sie für Lernen und Veränderung wichtig ist (und wir für die Weiterentwicklung von Journalismus und Medienbranche also ggf. mehr davon brauchen).
  5. In "Wo mehr Leadership in Medienbranche und Journalismus nötig ist und warum" gehe ich schließlich auf ein paar konkretere Beispiele für adaptive Herausforderungen ein, die Leadership von Beteiligten und Betroffenen aus der Branche erfordern.
  6. Im vorläufig letzten Blogpost "Anti-Leadership - oder: Die "Mit-einfachen-Antworten-rausreden"-Taktik" wiederhole ich mich ein wenig, indem ich noch einmal auf das Phänomen der "Vermeidung adaptiver Arbeit", d. h. der Vermeidung von Veränderung anhand von ein paar jüngeren Beispielen aus dem Branchendiskurs eingehe.
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